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Notizen aus einem schwulen Leben

Sherry beim Zoll

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Manchmal muss es Sherry Vine sein.

Vielleicht war es auch etwas naiv von mir, Bahrain, einen Teil der Emirate, für liberal zu halten. Immerhin funktioniert Grindr hier ohne, dass man wie z. B. in Dubai oder Katar mit einem VPN-Zugang die Zensur der Tittenwächter beschummeln muss. Und manche Frau läuft so freizügig herum, dass eine Kollegin erstaunt fragte: „Warum trägt sie überhaupt eine Hose?“.

Nun ja, irren ist in diesem Fall männlich und ich staunte nicht schlecht, als bei der Ankunft in Bahrain bis auf meinen alle Koffer der restlichen Crew ankamen. Also warteten wir geduldig. Und dann kam er. Markiert mit dem Hinweis, dass ich damit zum Zoll muss.

Im Geiste machte ich eine Blitzinventur meines fliegenden Wohnzimmers und mir schwante, dass ich vielleicht beim Auspacken vor der Reise genauso gründlich hätte sein sollen wie beim Einpacken.

Ich mache es kurz: Ein Griff des Zollbeamten und er hielt meinen Plastik-Ersatzspieler für einsame Nächte in Grindr-Sahelzonen in der Hand. Der Beamte wurde röter als ich es schon war, wobei mir bereits der Schweiß in Strömen den Rücken runter ronn. Er flüsterte, dass „so etwas“ hier nicht erlaubt sei. Ich presste nur heraus, dass er das verdammte Ding einfach weg werfen solle. Was aber auch nicht erlaubt war.

Im Gegenteil. Es wurde ein Verwaltungsvorgang gestartet. Ich musste das gute Stück beim Zoll am Flughafen hinterlassen und eine Erklärung mit der Verpflichtung unterschreiben, es bei meiner Ausreise wieder abzuholen. Dort wurde es so lange verwahrt, um die staatliche Ordnung vor dem Untergang zu schützen. Offensichtlich kann auch ein Dildo ein Schwert gegen Unterdrückung sein.

Das Merkwürdige war, dass alle Beteiligten immer wieder zwischen Scham und hysterischem Kichern hin und her pendelten – inklusive mir. Ein Beamter zwinkerte mir zwischendurch sogar zu.

Und nachdem die Sache irgendwann abgestempelt war und ich mit dem Zollformular in der Faust und gerötet-gesenktem Haupt zu meiner Crew zurückkehrte, die alle die Größe besaßen, mich nicht zu fragen, was los war, kam ich im Hotel an. Später verschwanden auch die roten Flecken aus meinem Gesicht und dann kam die Scham. „Dusselige Kuh!“ war noch das Netteste, was mein Über-Ich mir zu sagen hatte, als ich die Bettdecke über meinen Kopf zog.

Und hier kommt Sherry Vine ins Spiel: Als ich am nächsten Morgen ihre grandiosen Song-Parodien auf meiner aktuellen Playlist hörte, waren sie es, die mir mein zertrümmertes schwules Selbstbewusstsein Stück für Stück wieder aufbauten: Alle haben gesehen, dass ich ein sexgeiler Homo bin? Darauf antwortet Sherry nur „Honey, you’re a homo“ . Ich habe mich öffentlich blamiert? „There’s no shame just cause you`re a whore“. Und ich habe wieder Lust auf schwules Leben.

Und so wurde später an diesem Tag die Rückgabe des mittlerweile vakuumverpackten und versiegelten Penis delicti zu einer inneren Oscar-Verleihung für schwules Selbstbewusstsein in der Kategorie „Naivität, von der andere was lernen können“. Meine Dankesrede widmete ich natürlich Sherry.

Und dann machte ich die single tear und dankte Europa. Jenen wundervollen Kontinent, der mich so sein lässt, wie ich bin, auf dem Zollbeamte mit Sicherheit bei meiner Kofferdurchleuchtung grinsen, aber der bei allen Fehlern noch immer der Hauptgewinn bei der Geburtslotterie für homosexuelle Menschen ist. Möge Cher ihn schützen.

Autor: schwulbuch

schwulbuch@outlook.de

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